Vorsicht fallende Bäume!

Im gesamten Nationalpark besteht ein erhöhtes Risiko des spontanen Herabfallens von Ästen und Bäumen, da hier die Naturgesetze die Entstehung und das Absterben von Bäumen regeln. Das Betreten des Waldes geschieht auf eigene Gefahr!

Arktisch-alpine Tundra

Das Tundramilieu und die lokale Vereisung des Riesengebirges beschrieb bereits im Jahre 1894 der deutsche Geograf J. Patch, nachfolgend der schwedische Geologe B. Högbom, die tschechischen Naturwissenschaftler J. Podpěra oder E. Hadač suchten nach einer Erklärung der Ähnlichkeit der Landschaft des Riesengebirges und Nordeuropas. Die Palynologen K. Rudolph und R. Firbas verwendeten in ihren Arbeiten aus dem Riesengebirge den Terminus „subarktische Torfmoore“, der Geologe J. Kunský schrieb über die Kammlagen des Riesengebirges als eine „zuwachsende, hier aus der Eiszeit verbliebene Tundra“, die Geomorphologen J. Sekyra, A. Jahn bzw. der Geobotaniker J. Jeník beschrieben periglaziale Erscheinungen auf den Kämmen nicht nur des Riesengebirges, sondern auch des Altvatergebirges und des Glatzer Schneeberges. Die Wissenschaftler wurden sich schrittweise der Tatsache bewusst, dass das Riesengebirge und die ganzen Sudeten ein einzigartiges Milieu inmitten Europas sind. Irgendwie ähnelt die Entwicklung dieser geologisch alten Gebirge weitaus mehr der Entwicklung der Landschaft im Norden Europas als der Entwicklung der „jüngeren Alpen, der Pyrenäen oder der Karpaten.

Arkto-alpínská tundra západních Krkonoš – Kotelní jámy
Arkto-alpínská tundra západních Krkonoš – Kotelní jámy

Jahrzehnte der Erforschung aller Phänomene der Natur des Riesengebirges und ihres Vergleichs mit weiteren Gebirgsmassiven führten zum Ende des 20. Jahrhunderts zur Beschreibung und Definition der arktisch-alpinen Tundra des Riesengebirges und ihrer Unterschiedlichkeit zum Tundramilieu Skandinaviens und der Alpen. Der Begriff arktisch-alpine Tundra erfasst am besten, was sich im Raum Mitteleuropas während der kühlen Zeiträume des Pleistozäns und zu Beginn des Holozäns abspielte, und was auch weiterhin als lebendiges Museum dieser Ereignisse existiert.

Zone der Flechtentundra – kryo-äolisch

Die höchsten Gipfel des Riesengebirges mit seichten, steinigen Böden – Sněžka, Obří hřeben, Luční hora und Studniční hora, Malý Šišák, Smogornia und Vysoké Kolo – bedeckt eine kryo-äolische Zone. Sie ist dem Langzeiteinfluss des Frostes (kryo-) und des Windes (eo-) ausgesetzt. In den Eiszeiten bei Existenz des Permafrosts, bei intensiver frostbedingter Verwitterung, anschließender Sortierung der Verwitterungsrückstände, beim Wechsel des tiefen Gefrierens und des Auftauens des Bodens und der Fließerde (Solifluktion) wurden die Gipfel und ihre Hänge stufenförmig neu zu Kryoplanations-Terrassen modelliert, es entstand ein ausgedehntes Steinmeer, verschiedene Typen der Frostböden (kryogen) und der Solifluktions-Bodenformen – Polygone, Streifen und Furchen, Solifluktionswälle.

Auch in der Gegenwart handelt es sich um das klimatisch raueste Gebiet des Riesengebirges (die durchschnittliche Jahrestemperatur bewegt sich nur um +1 oC). Die Schneedecke ist infolge der starken Winde niedrig und überdauert nur einige Monate im Jahr. Ein Paradoxon sind die Schneefelder, bedingt durch die Verwehung der Einschnitte der Kyoplanations-Terrassen. Die Frostprozesse – wenn auch mit weitaus geringerer Intensität – halten bis heute das Kryorelief aufrecht, welches in den Mittelgebirgen Europas einzigartig ist, und dessen Analogie wir lediglich in der polaren Tundra und in den kalten Hochgebirgswüsten der Welt finden.

Die durch Frost und Wind beeinträchtigte Vegetation bildet Gemeinschaften von Pflanzen, welche eine höhere und länger dauernde Schneedecke nicht vertragen.  Zu ihnen gehören die nordischen und alpinen Flechtenund Moose.  Aus der Fauna fanden hier ihre Heimat Gliedertiere, insbesondere Insekten (Schmetterlinge, Zweiflügler, Laufkäfer), von denen viele Arten zu den glazialen Relikten gehören.

Zone der Rasentundra – kryo-vegetativ

Nur knapp 200 Meter unterhalb der Gipfel erstrecken sich in der Umgebung der Wiesenbaude (Luční bouda) und der Elbbaude (Labská bouda) zwei ausgedehnte Hochebenen, die von einem Mosaik alpiner Gräser bedeckt sind, mehrheitlich bestehend aus Borstgras, Krummholzkiefer und nordischen, strukturieren Mooren. Es handelt sich um weniger windige, leicht abschüssige Orte mit großer Niederschlagsmenge in Form von Regen und Schnee (ca. 1200 mm/Jahr).  Die Schneedecke erreicht im Durchschnitt an die 180 cm, überdauert mehr als ein halbes Jahr, üblich sind Schneefelder im Frühjahr und im Sommer. Die durchschnittliche Jahrestemperatur bewegt sich um +1,6 °C. Der Mantel der Verwitterungsrückstände und die Bleicherde-Schichten sind hier tiefer. Dies alles ermöglichte in der Vergangenheit eine üppige Entwicklung der Gras- und Moorvegetation, welche das durch den Frost geformte Relief der polygonalen und zerfurchten Böden überdeckte.  Weitere Formen entstanden durch die Solifluktion, bemerkenswert sind die rosenkranzartigen Gebirgsflüsse, die wandernden Steinblöcke, die Torfhäufchen (Pounikos) oder die Torfhaufen, die an nordische sog. Palsen erinnern.     Es ist eine Landschaft, ähnlich den polaren und subpolaren Gebieten im Norden Europas, jedoch auch in Patagonien und in Neuseeland.

Die Tormoore entstanden im Riesengebirge erst vor etwa 7000 bis 5000 Jahren. Viele hiesige Pflanzen sind im Norden Europas beheimatet und ins Riesengebirge wanderten Sie einst, vor langer Zeit, als Boten der polaren Tundra.  Zu ihnen gehören die Moltebeere (Sumpfbrombeere), Carex bigelowii (Segge), das Sudetische Lauserkraut oder das Lindberg-Torfmoos. Das Riesengebirge ist der südlichste Punkt ihrer Verbreitung.  Die Fauna umfasst viele glaziale Relikte, z.B. Spinnen, Libellen oder die Erdmaus, deren Population sich zyklisch ändert. Außer im Winter ist hier das Rotwild anzutreffen.

Zone der blühenden Tundra

Sie erstreckt sich im Windschatten der anemo-orografischen Systeme. Die tiefen „Amphitheater“ der Gletscherkare (im lokalen Sprachgebrauch „Gruben, Bingen“) sind Teile der Tundra, wo über lange Jahrtausende die frostbedingte Verwitterung der Felswände wirkt, an den Kanten bilden sich im Winter mächtige, überhängende Schneemassen, sog. Wechten, wobei die Hänge von Lawinen „geschliffen“ werden. In der Vergangenheit waren Sie von den Gletschern ausgefüllt. Die Hauptakteure sind der Schnee (niveo-) und das Eis (glaci-), daher die Bezeichnung niveo-glazigene Zone. Hierzu gehören auch die Schneevertiefungen, Nivations-Depressionen und die Hänge mit den sommerlichen Schneefeldern.

Vor allem in den Karen vereinen sich jedoch die Wirkungen des günstigen Mikroklimas, der ausreichenden Feuchtigkeit, jedoch auch des Reichtums an Mineralien der entblößten Felswände. Die während des gesamten Holozäns wirkenden Schneelawinen unterstützten hier die Entstehung eines ungewöhnlich bunten Mosaiks von Ökosystemen (z.B. Quellgebiete, alpíne Auen, Sträuchergemeinschaften der Krummholzwälder), wo in unmittelbarer Nachbarschaft der Gebirgs- und nordischen Pflanzen und Tiere Arten des Vorgebirges und der Niederungen, die Kühle liebende neben wärmeliebenden, lichtbedürftige neben schattenliebenden Organismen leben. Dies ist das Milieu der botanischen Gärten des Riesengebirges, die unsere Vorfahren längst vor dem Eintreffen der Forscher kannten und benannten (z.B. der Rübezahl- oder der Teufelsgarten, später kamen unter anderem der Schustler- und der Kesselgarten hinzu).  Der artenreichste ist die Basaltschlucht (Čedičová rokle) in  der Kleinen Schneegrube (Malá Sněžná jáma) auf der polnischen Seite der Berge. Die Analogie der blühenden Tundra der Riesengebirgskare ist der Große Kessel (Velká kotlina) und der Kleine Kessel (Malá kotlina) im Altvatergebirge (Hrubý Jeseník). Es handelt sich um die reichsten Orte der europäischen Mittelgebirge.